Wie meistert der Modehandel die Herausforderungen durch Corona – Experten tauschen ihre Erfahrungen aus

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Anfang Juni moderierte ich einen Erfahrungsaustausch mit Kunden und Händlern aus meinem Netzwerk. Teilnehmer waren Experten der DACH-Region aus Retail, Online, Logistik und IT. Die Teilnehmer berichteten über die Einflüsse, die Corona auf ihre Unternehmen hat, welche Maßnahmen sie ergriffen haben und welche Perspektive sie für die Zeit nach Corona sehen.

Die wichtigsten Aussagen möchte ich an dieser Stelle mit Ihnen teilen.

Die Zwangsschließung der Filialen während des Lockdown führte bei allen teilnehmenden Unternehmen zu einer Erhöhung des online-Umsatzes, teilweise sogar um bis zu 100%. Besonders hohe Umsatzsteigerungen wurden in den Outdoor-Sortimenten erzielt. Seit Wiedereröffnung der Filialen ist der Online-Umsatz wieder rückläufig, es wird jedoch davon ausgegangen, dass dieser nachhaltig höher sein wird als vor Corona zu erwarten war. Die Kunden empfinden das Einkaufen im Internet als unkompliziert. Aufgabe des Handels ist es nun, den Kunden die Vorteile des stationären Handels wieder schmackhaft zu machen, und die Kunden u.a. über den Webshop in die Filialen zu locken.

Nach Wiedereröffnung der Filialen ist es oberstes Ziel dafür zu sorgen, dass sich die  Umsätze wieder in Richtung der Vorgaben aus der Jahresplanung entwickeln. Ausschlaggebend hierfür ist insbesondere, wie durch gezielte Maßnahmen die Kundenbindung wiederhergestellt werden kann, und den Kunden trotz der Hygienemaßnahmen ein Einkaufserlebnis zu bieten. Die Motivation der Kunden zu Lust- und Spontankäufen ist aktuell sehr gering. Dies liegt an der eingeschränkten Bewegungsfreiheit auf der Fläche und dem Tragen von Schutzmasken bei Kunden und Personal, wie auch eine Studie des ECC Köln belegt: 52% der Befragten gaben an, dass die Kauflust ohne Maske höher wäre. und 50% mehr in Geschäften stöbern würden.

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Intensive Schulungen der Mitarbeiter haben erfreulicherweise dazu geführt, dass sich die Kunden in den Filialen geschätzt vor Corona fühlen und die erforderlichen Maßnahmen akzeptieren. So werden bei vielen Händlern die Kunden am Filialeingang begrüßt und über die Verhaltensregeln aufgeklärt. Um die maximale Kundenanzahl einzuhalten, wird die Anzahl der Kunden die sich in der Filiale befinden, z.B. an einem Monitor an der Kasse angezeigt. Erreicht die Anzahl das erlaubte Limit, so reguliert ein Mitarbeiter am Filialeingang die Kundenanzahl. Die unterschiedlichen Vorgaben der einzelnen Landesregierungen führten zu einem hohen organisatorischen Aufwand bei der Definition und Umsetzung von Maßnahmen und der Schulung der Mitarbeiter. Je Bundesland mussten separate Maßnahmen definiert und Schulungsunterlagen erstellt werden. Das Problem verschärfte sich bei den Händlern mit Flächen im benachbarten Ausland.

Während des Lockdown wurden Filialbestände genutzt, um online-Bestellungen zu bedienen. RFID half, die richtigen Bestände online anzuzeigen und die Ware in der Filiale schneller zu finden.

In der Logistik hat die gestiegene Anzahl von online-Bestellungen und Kleinst-Paketen starken Einfluss auf Personal, Abläufe und Flächen. Ein geringer Automatisierungsgrad ermöglicht es, schnell auf Mengenveränderungen zu reagieren und sich täglich individuell an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Nichtsdestotrotz führte das erhöhte Online-Bestellaufkommen teilweise zu längeren Lieferzeiten. Ein Grund dafür waren Probleme bei der Beschaffung von zusätzlichem Personal. Eine besondere Herausforderung ist die Bewältigung des gestiegenen Retourenvolumens.

Trotz aller Probleme und Schwierigkeiten sehen die Händler in der aktuellen Situation auch eine Chance darin die Gelegenheit zu nutzen, ihre Strukturen zu überdenken und eine Neuausrichtung einzuleiten. So stellen einige Händler Überlegungen an, handelsnäher zu sourcen, um das Warenrisiko zu minimieren. Strategisch ist es wichtig, das Geschäftsmodell auf mehrere Säulen zu stellen, um das Risiko zu reduzieren. Händler bauen ein Krisen- und Risikomanagement für die aktuelle und ähnliche Naturkatastrophen auf („nach der Krise ist vor der Krise“), und arbeiten an einer Strategie für eine dezentrale Organisation.

Es werden durchweg gute Erfahrungen mit dem Arbeiten der Mitarbeiter im Home Office gemacht. Dies könnte zu geänderten Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodellen führen, um Büroflächen zu reduzieren. Wichtig ist dabei, dass die Home Office-Arbeitsplätze ein effizientes Arbeiten ermöglichen. Langfristig kann das Arbeiten in der Küche oder in einem dunklen Kellerraum nicht die Lösung sein. Das ausschließliche Arbeiten im Home Office ist allerdings keine Lösung. Der persönliche Kontakt und der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen ist unverzichtbar.

 

Ich freue mich bereits heute auf unseren nächsten Erfahrungsaustausch im Sommer zu einem weiteren spannenden Thema.