Das beschäftigt den Modehandel: Prozessqualität und Retourenmanagement

© sys-pro GmbH/Timo Borkowski

Im August fand der zweite von mir organisierte Expertenaustausch 2020 mit Vertretern deutscher Modehändler statt. Auf Wunsch der Teilnehmer lag der Schwerpunkt dieses mal auf der Sicherstellung der Prozessqualität und den Herausforderungen des Retourenmanagements.

Wie stelle ich die erforderliche Qualität der Filialprozesse sicher?

„Verkaufsferne“ Prozesse, die nicht direkt der Beratung des Kunden dienen, nehmen einen großen Anteil der Arbeitszeit in Anspruch. Sie dienen größtenteils zur Bewegung der Waren an den richtigen Ort in der Filiale und zur Sicherstellung von Warenverfügbarkeit und Bestandsqualität. Daher ist es besonders wichtig, dass diese Prozesse gewissenhaft und gemäß der Vorgabe ausgeführt werden. Oft lässt aber die Qualität der Prozessdurchführung mit der Zeit nach. Dies hat unterschiedliche Gründe, wie beispielhaft die Erkenntnisse aus einem RFID-Projekt, das ich betreut habe, zeigen:

© Uwe Quiede

Was sind die Kernaussagen der Händler?

Die Diskussion der Teilnehmer ergab folgende Erkenntnisse:

  • Grundvoraussetzung ist die Motivation des Store- und Retail-Managements. Diese haben die Verantwortung, die Prozessqualität sicherzustellen und die Teams zu motivieren.
  • Eine besondere Herausforderung für weniger Technik-affine Mitarbeiter ist das Erlernen der RFID-Prozesse. Hier sind Schulungen mit besonderer Sensibilität und Intensität vorzunehmen.
  • Die Verantwortung für ein (RFID-)Projekt und den späteren Betrieb liegt bei den Nutzern, also im Vertrieb. Nur dann können die erwarteten Effekte entstehen. Die IT ist als Dienstleister ein Lieferant im Projekt und hat keine Prozessverantwortung.
  • Personal-Fluktuation führt zu Knowhow-Verlust. Dieser wird nur dann aufgefangen, wenn die Schulungsmaßnahmen (Training, E-Learning) aus dem Rollout auch bei Neueinstellungen angewandt werden.
  • Das Tracken der Prozessqualität erfolgt (nicht nur bei RFID-Prozessen) über prozessrelevante KPIs. Steuerungsmittel ist ein auf die Zielgruppe ausgerichtetes Dashboard. So hat zum Beispiel der Store Manager den Überblick über alle RFID-bezogenen KPIs (Erfassungsrate bei der Bestandsaufnahme, über längere Zeit nicht gelesene EPCs, Artikel die ohne Bezahlung die Filiale verlassen haben, …).
  • Im Rahmen von Schulungen werden sehr gute Erfahrungen mit E-Learning-Plattformen und integrierten Tests zur Wissenstand-Überprüfung gemacht. Dabei muss jeder neue Mitarbeiter das E-Learning durchlaufen und die Tests absolvieren. Dies sorgt für Selbstverantwortlichkeit bei den Mitarbeitern und führt zu einer Aufwandsreduzierung für das Projektteam.

Um die Prozessqualität auf einem hohen Niveau zu halten, werden folgende Maßnahmen empfohlen:

© Uwe Quiede

Wie kann das Retouren-Aufkommen reduziert werden?

Die Retourenquote im Mode- und Schuhhandel bewegt sich je nach Sortimentsgruppe zwischen 30 und 60%. Wie eine Studie des EHI aus dem Jahr 2019 zeigt, ist das oberste Ziel des Handels diese Quote zu reduzieren.

© EHI 2019

Über 70% der Retouren erfolgen mit der Begründung „Artikel passt nicht“ oder „Artikel gefällt nicht“. Das heißt: Der Artikel ist online nicht so beschrieben, sodass dem Kunden eine ausreichende Vorstellung vom Artikel fehlt oder die erwartete Größe und Passform von der tatsächlichen abweicht.

Aus diesem Grund ist eine Optimierung der Informationen zur Produktauswahl dringend erforderlich. Das hat der Handel mittlerweile erkannt:

© EHI 2019

Davon betroffen ist eine Vielzahl von Informationskategorien, denn es geht dabei nicht nur um Artikelbeschreibung und Größenangabe:

© Uwe Quiede

Darüber hinaus wurden von den Teilnehmern folgende Aspekte diskutiert:

  • Während Kunden bei textiler Bekleidung einen gewissen Spielraum in der Passform zulassen, wird dies bei Schuhen nicht akzeptiert. Ein Schuh darf weder drücken noch zu locker sitzen. Daher ist die Retourenquote bei Schuhen tendenziell höher, denn es werden oft drei unterschiedliche Größen eines Schuhs bestellt.
  • Die Erfahrung zeigt, dass die Echtgrößen-Ermittlung (Vermessung Kundenfuß und Schuhe) zu einer Reduzierung der Retouren führt.
  • Die Senkung der Retourenquote wird durch bessere und umfängliche Artikelstammdaten und erweitertes Bildmaterial erwartet. Jedoch gibt es insbesondere in der Schuhbranche zahlreiche Probleme, wie z. B.:
    • Unterschiedliche Nutzung der Warengruppenschlüssel bei den Lieferanten.
    • Nicht alle Lieferanten nutzen die Struktur der GTIN.
    • Nicht ausreichend vorhandenes Bildmaterial bei den Lieferanten, sodass Produktbilder selbst erzeugt werden müssen.

Zur Reduzierung des Retouren-Aufkommens und des Retouren-Aufwandes werden aktuell folgende Optionen diskutiert:

  • Retouren an das Lager sind kostenpflichtig, Retouren in der Filiale sind kostenlos.
  • In der Filiale kann die Retoure sofort auf Wiederverkäuflichkeit geprüft und ggf. abgewiesen werden.
  • Die Ware verbleibt in der Filiale, sodass Verpackungs- und Transportaufwand entfällt.

 

Alle Teilnehmer der Diskussion sind sich einig: Die Retouren-Problematik wird noch viele Jahre ein Top-Thema bleiben, zumal sich durch Corona der online-Einkaufsanteil noch weiter erhöht hat als zuvor prognostiziert. Diese Entwicklung ist sicherlich nicht wieder rückgängig zu machen. Es besteht also akuter Handlungsbedarf, die zukünftige Ausrichtung des Retourenmanagements und den Umgang mit retournierter Ware zu definieren.

Wenn Sie Unterstützung in Ihrem Retouren-Projekt benötigen, dann kontaktieren Sie mich gerne.