ARMEDANGELS – Wie nachhaltige und faire Mode als Geschäftsmodell funktionieren kann

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Eine nachhaltige Lebenseinstellung und eine faire Behandlung aller Beteiligten in der Produktions- und Lieferkette – schenkt man Umfragen Glauben, möchte dies die Mehrzahl der Konsumenten. Wenn es allerdings darum geht dies beim Einkauf von Bekleidung zu beweisen, zeigt die Realität ein umgekehrtes Bild. Denn nur ein geringer Anteil des Einkaufbudgets für Bekleidung wird für nachhaltige und fair gehandelte Produkte aus biologischem Material ausgegeben. Dabei haben Marken, die sich in ihrem Geschäftsmodell dem Erhalt unseres Planeten verschrieben haben, viel mehr Aufmerksamkeit und Beachtung verdient.

Dass dieses Geschäftsmodell aber funktionieren kann, beweist das Label ARMEDANGELS aus Köln. Ich habe mit Franziska von Becker, Chief Product Officer bei ARMEDANGELS, über die Herausforderungen und die Chancen bei der Produktion und Vermarktung nachhaltiger Kleidung gesprochen.

Die Welt ändert sich und damit ändern sich auch die Geschäftsmodelle

Uwe Quiede: Franziska, ARMEDANGELS ist eine der wenigen Modemarken, die sich zu 100% der Nachhaltigkeit verschrieben haben. Trotz des aktuellen Hipe um nachhaltige Produkte erfordert es viel Überzeugungsarbeit am Kunden, dass er den Mehrwert beim Einkauf nachhaltiger Produkte erkennt. Auf der anderen Seite sind die Markenhersteller gefordert, den Trend zur Nachhaltigkeit nicht zu verschlafen und ihre Strategie darauf auszurichten. Wie setzt ARMEDANGELS das um?

Franziska von Becker: Die Welt verändert sich, gerade durch und mit Covid19. Wir merken, dass alte Geschäftsmodelle nicht mehr funktionieren. Das Prinzip „Warendruck erzeugt Umsatz“ hat uns in eine globale Überproduktion von Bekleidung geführt. Wir sind in der Bekleidungsbranche einer der großen „Täter“, die verantwortlich sind für die Ausbeutung von Arbeitnehmern in Billiglohnländern bei unfairen Arbeitsbedingungen. Aber vor allem sind wir auch Produzenten von Müll und chemischen Rückständen. Das Thema Nachhaltigkeit drängt sich immer mehr in die Mitte der Gesellschaft. Kunden haben ein anderes Bewusstsein erlangt, das Kaufverhalten verändert sich.

Der Wandel kommt jetzt sehr schnell. Wir sehen viele Unternehmen straucheln, die aber zuvor schon kein zukunftsfähiges Geschäftsmodell hatten. Nur Unternehmen mit einem Plan für die Zukunft und einer starken Aussage werden überleben. Viele Unternehmen fangen jetzt erst an sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Nachhaltigkeit kostet Geld, also Profit. Wir haben bei ARMEDANGELS 13 Jahre Erfahrung damit und nehmen das Thema extrem ernst. Diese Glaubwürdigkeit und das Know-how können wir jetzt sehr transparent dem Kunden vermitteln.

Auf der anderen Seite werden die Kunden gerade überflutet mit „Greenwashing“. Es herrschen keine Richtlinien, die dem Kunden zeigen, was nachhaltig ist. Viele denken: Mit „Bio-Baumwolle“ bin ich schon nachhaltig. Daher müssen wir jetzt offensiv aufzeigen, dass zu Nachhaltigkeit auch ökologische Aspekte zählen und dies auch eine Frage der Fairness ist.

Wir sind überzeugt, dass wir in Zukunft „circular“ werden müssen, denn unsere Ressourcen sind begrenzt. Wir müssen gebrauchte Produkte in den Kreislauf zurückführen. Das ist unser großes strategisches Thema, mit dem wir uns beschäftigen. „Circular“ ist die Nachfolge von Sustainable.

Nachhaltigkeit erfordert eine besondere Kundenabsprache

Uwe Quiede: Um dies den Kunden zu erklären braucht man eine starken Markenbotschaft und eine klare Abgrenzung zum Wettbewerb. Welche Marktpositionierung siehst Du da bei ARMEDANGELS und was macht Euch stark und begehrenswert?

Franziska von Becker: Als Marke müssen wir unsere Werte klar dem Kunden kommunizieren. Wir stehen für eine bessere Welt. Für die Welt von morgen, und: „Kaufe bei uns ein Produkt ohne Kompromiss“. Klingt simpel, bedeutet in der Umsetzung aber sehr viel Anstrengung.

Leider zahlen Kunden noch nicht ohne Weiteres mehr für nachhaltige und faire Produkte. Ein kleiner Teil unserer Gesellschaft lebt sehr bewusst und gibt dafür mehr aus. Ein Teil unserer Flächen sind Eco-Concept-Stores, hier sucht der Kunde bewusst nachhaltig produzierte Kleidung und ist bereit, dafür auch zu zahlen. Aber die Anzahl dieser Kunden ist begrenzt. In Modehäusern und online-Shops bestimmt ganz klar der Preis die Nachfrage. Darüber hinaus wollen wir „Grow to Matter“, das heißt: Wir begeben uns direkt in die Konkurrenz zu den kommerziellen Marken, die nicht nachhaltig sind.

Transparente und vertrauensvolle Lieferantenbeziehungen sind das „A und O“

Uwe Quiede: Wie Du zu Beginn völlig zu Recht angesprochen hast, entsprechen die Arbeitsbedingungen in vielen Fabriken, in denen Modemarken produzieren lassen, nicht unserer moralischen Wertvorstellung. Um nachhaltig und fair zu produzieren braucht es Partner, die die eigene Philosophie und Einstellung teilen. Wie findet man diese?

Franziska von Becker: Die Lieferantenbeziehung ist ein sehr wichtiger Part unseres Geschäftsmodells. Wir arbeiten mit nur wenigen Partnern zusammen, mit denen wir eine langfristige Geschäftsbeziehung aufbauen. Wir entwickeln uns gemeinsam mit unseren Partnern weiter und betreiben ein Open Costing, also absolute Transparenz. Partner bewerten uns im Gegenzug in einem sehr offenen Feedback-Prozess. Denn nur so können wir uns alle weiterentwickeln. Wir prüfen beidseitig intensiv und gewissenhaft, ob wir zusammenpassen und durchlaufen mit unseren Partnern einen Zertifizierungsprozess.

Durch regelmäßige Besuche halten wir die enge und vertrauensvolle Geschäftsbeziehung mit unseren Partnern aufrecht.

Produkt und Markenversprechen müssen stimmen

Uwe Quiede: Wie kann man den Kunden davon überzeugen, dass nicht nur der Preis eine Rolle bei der Kaufentscheidung spielt, sondern in Zukunft der Wandel zu Nachhaltigkeit und Ökologie, der durch Corona entstanden ist, anhält?

Franziska von Becker: Wir erleben gerade einen regelrechten Boom. Kunden und Handel haben hohe Nachfrage an Sustainable Brands. Wir sind im Gegensatz zu den „ÖkoBrands“ eine Marke, die zeitlos aber auch eine gewisse Modernität verspricht. Und wir können mittlerweile eigene Shop-in-Shop-Flächen professionell bespielen. Das Produkt muss immer den Kunden überzeugen. Kein Kunde kauft das Produkt, wenn es nicht gefällt. Das darf man nie vergessen. Das Markenversprechen und das Produkt müssen gefallen und begeistern. Dies gilt für die Nachhaltigkeit ebenso wie für die Qualität und die Passung. Dann werden nachhaltige Produkte auch langfristig ihren Marktanteil deutlich erhöhen können.

Uwe Quiede: Welche Pläne hat ARMEDANGELS für die Zukunft?

Franziska von Becker: Wir investieren derzeit intensiv in das Thema „Circular“. Wir haben schon im Dezember 2019 unser erstes zirkulares T-Shirt gelauncht. Hier erfolgt die nächste Kampagne bis Ende des Jahres. Und wir werden in den nächsten Jahren auch eigene Retail-Stores betreiben, um den Kunden die Marke erlebbar zu machen.

Franziska, ich danke Dir, dass Du Dir die Zeit für unser Gespräch genommen hast, und bin mir sicher, dass ARMEDANGELS auch in Zukunft eine starke Marke sein wird. Viel Erfolg bei Euren ehrgeizigen Plänen und Dir persönlich alles Gute.